Werte im Management
Werte – was hat das mit Management zu tun? (von Prof. Günther H. Schust)
Frau Susanne Klatten, Aufsichtsrätin von BMW und der SGL Group, die reichste Frau der Welt, erhebt in der WELT vom 15.02.2014 die (An-) Klage: „Wir sind nicht hier auf dieser Welt, um still zu stehen. Daher muss heute umweltgerechteres Wachstum und ressourcenschonender Fortschritt im Fokus unserer Anstrengungen stehen… In den Unternehmen muss eine neue Führungskultur Einzug halten…“
Leider ist dies aber mit der „alten“ Managergarde nicht zu machen, weil hohe Gewinne, Renditen und „schöne Bilanzen“ wichtiger sind. Der Wirtschaftsprofessor Erik Brynjolfsson an der Harvard University (MIT) mahnt daher dringend „ein neues Bildungssystem“ an, wo Menschen zusätzlich kreative, umwelt- und zwischenmenschliche Fertigkeiten erlangen, die auf das Überleben der Menschheit ausgerichtet sind. Leider werden diese Fächer in Führungstrainings und in unseren (Hoch-)Schulen und Unis nur eingeschränkt vermittelt. Von einem Wissens- und Innovationsmanagement sind viele noch weit entfernt. Die Planlosigkeit für unsere Zukunft muss daher ein Ende haben.
Die guten Unternehmen, sog. „Leuchttürme“, leben die „menschlich-ethische Qualität“ in ihren Führungsleitlinien
So klagt die dt. Wirtschaft über den Mangel an kompetenten Fach- und Führungskräften. Tut sie aber genügend für den Nachwuchs? Von einer individuellen Förderung können die Mitarbeiter nur träumen. Insbesondere spielt zukunftsfähige Persönlichkeitsbildung (von Mitarbeitern und Führungskräften) in Deutschland fast keine Rolle. Festgefügte hierarchische Strukturen widersprechen der vom Mitarbeiter geforderten menschlichen Werte der Manager, wie Ehrlichkeit, Empathie, Respekt und ethisch-moralische Reflexion und Solidarität (genotypische Werte). „Der Markt zwingt sie (d.h. die Manager) zu gar nichts… es ist nur ihr Wachstumswahn“. Es ist folglich nicht unmöglich, moralisch (auch für die Umwelt) zu handeln (Prof. Dr. Peter Ulrich Wirtschaftsethiker, Uni St. Gallen/Schweiz). Leider spielen aber menschlich-ethische Werte bei Entscheidungen, Innovationen und Veränderungsprozessen in den Betrieben fast keine Rolle – sondern nur ökonomische Werte, wie „abgehobene(s)“ Profitstreben, Ebitda, Bedürfnisbefriedigung und Willfährigkeit (siehe VW Group).
Firmen fahren seit Jahren allerhöchste Gewinne ein. Boni und Prämien steigen durch die Decke, jedoch müssen dafür immer „die Anderen zahlen (z.B. die eigenen Mitarbeiter bzw. die Menschen in Entwicklungsländern)“, weil sie:
1. Auf Kosten der Gemeinschaft bewusst Gesetzeslücken ausnützen, um Ausbeutung, Manipulationen, Steuervermeidung, Rabattschlachten und Verbrauchertäuschung als die „höchsten Güter“ ihrer Führungs- und Unternehmenskultur zu realisieren. Compliance-Regeln sind gut für’s Hochglanzpapier – sog. „schuldhaftes Organverhalten“ ist nur sehr schwer nachzuweisen.
2. Illegale Absprachen treffen (wie z.B. Preiskartelle, Knebelverträge), die enorme Strafen nach sich ziehen können. Wobei die Belegschaften die Schadensersatzkosten und Geldstrafen (sog. Transaktionskosten) wieder herein arbeiten müssen (z.B. Autohersteller, Autozulieferer, Banken, Investmentfonds Energieversorger, Dt. Bahn, Dt. Post, Dt. Bundeswehr, Textilhandel und -hersteller, Versicherer, etc.).
3. Zu wenig in die Fort- und Weiterbildung Ihrer Führungskräfte investieren. Auch sind nur ca. 1/3 der Mittelständischen Unternehmen überhaupt noch an „echten“ Innovationen interessiert. So schrumpften die Innovationsausgaben auf durchschnittlich ca. 2-3% des Unternehmensumsatzes. Budgets für Fort- und Weiterbildung werden dabei immer weiter heruntergefahren (siehe VDI-Nachrichten vom 06.03.2015).
4. Besessen sind, „gut aussehende Zahlen“ abzuliefern, unabhängig davon, welchen Schaden das darunterliegende Arbeitssystem und die Führungs- sowie Organisationskultur nehmen. „Warum müssen gemeinschaftliche Unternehmen, wie z.B. Bahn, Post, Kommunen, Kliniken, Kranken- und Pflegehäuser hohe Renditen erwirtschaften…“ (Prof. Dr. Thomas Johnson, BWL-Professor an der Portland University, im Harvard Business Manager 04.08.2014: Wie Zahlen Manager in die Irre führen).
„Leuchttürme“ haben Verträge, die zur Einhaltung ökonomischer und menschlich-ethischer Werte verpflichten
Selbst das managermagazin 08/2014 konstatiert auf Seite 78, dass Deutschland nur noch zwei Vorzeigesektoren hat, nämlich „Automobil und Logistik“. Banken, Start-up-Investoren, Versicherungen, Gesundheitswesen sowie Telekom-, Informations- und Medienindustrie liegen gegenüber den Branchenvorreitern weit zurück (Studie BCG 2014, Martin Hecker). Bei der Eroberung des Weltmarktes nehmen sich zwischenzeitlich unsere Wettbewerber eine Kernbranche nach der anderen vor. In den 80er/90er-Jahren waren es Unterhaltungselektronik- / Chip- / Mobilfon-, Uhren-Industrie, heute die Fahrzeug-, ITK-/ Software-, Medizin-, Solarindustrie, morgen die Bio- Chemie-, Pharma-, Energie- und Umwelttechnik, usw.
Die Studie von PwC (Norbert Winkeljohann) „The World in 2050“ zeigt, dass Deutschland auf den Platz 10 abrutschen wird. Da unsere Gesellschaft, so wie sie ist, nicht zukunftstauglich ist.
Vom schnellen Umdenken + Handeln in den Führungsetagen (auch in Öffentlichen Ämtern, Instituten, Parlamenten, Schulen und Verbänden) wird es abhängen, ob Deutschland den Innovationswettbewerb noch gewinnen kann.
So ist Frau Dr. Angela Merkel beunruhigt über die Sorglosigkeit vieler deutschen Manager: „wovon will Deutschland in Zukunft leben, wenn unsere Wirtschaft in zehn Jahren nicht mehr so stark ist wie heute…“ (AZ München am 03.07.2012).
Ich selbst unterrichte und entwickle (angehende) Führungskräfte und die haben z.T. wenig Lust auf hohe Einsatzbereitschaft. Vor allem sehen Sie, dass Versprechen von führenden Politikern und Managern für „echte“ (Umwelt-/Bildungs-/Steuer-) Reformen in unserem Staat seit mehr als 10 Jahren leider „nur Versprechen“ geblieben sind und weiterhin von den Lobbyverbänden blockiert werden (siehe Agrar-, Automobil-, Finanz-, Pharma-, Lebensmittel- und Versicherungsbranche, etc.).
„Die Folgen mangelnder Ethik werden uns, durch die eigene mutwillige Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlage, noch teuer zu stehen kommen. Die Kriegsflüchtlinge sind erst der Anfang… Die Klimaflüchtlinge, wg. der Erde- und Meeresausbeutung, werden uns noch weit mehr kosten…“ (Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK): Selbstverbrennung, C. Bertelsmann Verlag 2015).
Viele Firmen könnten am Markt ihre Chancen + Allianzen noch viel besser behaupten, wenn Sie sich ethisches Denken und Handeln verordnen
Wenn wir als Gesellschaft, die zu erwartenden disruptiven Turbulenzen in Zukunft überstehen und das Überleben auf unserer Erde sichern wollen, dann müssen Frauen und Männer ihre Energie und Kreativität gemeinsam in die anstehenden unternehmerischen und gesellschaftlichen Aufgaben stecken. So betrifft der Wandel nicht nur das Entstehen neuer (digitaler + vernetzter) Geschäftsmodelle, sondern auch die Qualität in den Köpfen der Führung (sog. Doppelte Digitale Transformation, siehe Prof. Günther H. Schust „Führung 5.0: Intelligent vernetzen – unterstützen – entfalten“, Verlag www.Bookboon.com 2015).
Es gibt nur einen Weg, im Wettbewerb mithalten zu können: Das Etablieren einer Führungskultur, die auf Glaubwürdigkeit der Produkte / Dienste beruht, interne + externe Teams zusammenführt und das Miteinander für eine nachhaltig-lebenswerte Zukunft erzeugt.
Menschen ändern aber Ihre Wertepräferenzen (und damit Ihr Verhalten) erst, wenn Vorgänge passieren, die sie nicht mehr „kalt lassen“ und / oder „ihnen unter die Haut gehen“ (siehe Prof. Dr. rer. nat., Dr. med. habil. Gerald Hüther, Neurobiologe Uni Göttingen: „Was wir sind und was wir sein könnten“, Fischer Verlag 2013. Aktuelle Beispiele dazu: Frau Dr. Angela Merkel, bei der plötzlichen Entscheidung zum Ausstieg aus der Atomenergie oder für die Grenzöffnung für die Flüchtlinge). Führung ist somit kein Machtmittel, sondern die Fähigkeit ganzheitlich zu denken + zu handeln sowie „Core Values“ konsequent einzufordern. Es ist das Ganze, in dem alle Teile bzw. Organe auf komplexe Weise vernetzt sind: der qualitativ wirtschaftliche und der menschlich-ethische Erfolg (siehe oben das Zitat von: Frau Susanne Klatten).
So muss jeder sich mit den Fragen von übermorgen auseinandersetzen. Insbesondere das Management muss Antworten auf den disruptiven Wandel parat haben. Viele Organisationen verschlafen hier strategische Chancen, die viel Geld kosten. Das Geschäftsmodell ist nur noch die „halbe Miete“. Die dafür notwendige Selbststeuerung und das schnellere Lernen des Mitarbeiters im lösungsorientierten, (digital) vernetzten, eigenverantwortlichen Arbeiten, ist die andere Hälfte.
Dabei achten sie darauf, dass mindestens fünf Spielregeln eingehalten werden:
Spielregel 1: Mitarbeiter-Dialog = Probleme, die das Spiel entscheiden können, auf Augenhöhe zur Sprache bringen und lösen
Um die eingefahrenen Verhaltens-, Denk- und Spielweisen der Menschen zu ändern, muss ein motivierender Dialog und ein zielorientiertes (Fitness-)Training geleistet werden, denn Mitarbeiter wollen sich selbst einbringen und auf dem Weg zum Ziel mitgenommen werden. Es geht darum, den Mitarbeiter für Ziele / gewünschte Ergebnisse und / oder Visionen zu begeistern und seine Performance + spielerisches Potential dazu abzurufen.
Spielregel 2: Selbstmanagement = Die internen + externen Teams müssen korrekt (also nicht falsch!) spielen
Es gibt nur einen Weg um den Innovationsvorsprung vor den Wettbewerbern aufrecht erhalten zu können: Das Etablieren eines (vernetzten) Informationsprozesses, der auf Abkehr von Befehlsdenken und dem Ausbau des gegenseitigen Vertrauens basiert. So, dass die Mitarbeiter die passenden Informationen zum richtigen Zeitpunkt erhalten (Hol- und Bringschuld). Ohne Vertrauen und die Verlässlichkeit der Aussagen der (An-) Führer geht es aber nicht.
Spielregel 3: Unterstützende Führung = Mitarbeiter zur TOP- Leistung führen + dabei situativ unterstützen (Supportive Leadership)
Besonders wichtig ist dabei die Erzeugung eines werteorientierten + wertschätzenden Klimas, das konstruktiv und anerkennend auf die Leistung der Mitarbeiter / Führungskräfte wirkt. Schnelles Dazulernen aus (Projekt-) Aufgaben wird plötzlich für alle das Ziel jeder Tätigkeit. Wenn Mitarbeiter – hierarchiearm – so vernetzt werden, dass dabei der größtmögliche Wirkungsgrad erzielt wird, profitiert sowohl das Unternehmen, der Kunde/User als auch der Mitarbeiter.
Spielregel 4: Intelligentes (Zusammen-) Arbeiten und Smart (Net-) Working = Aufgaben priorisieren + verantworten; Wissen + Erfahrung vernetzen + weitergeben
Dabei wird das eigene Denken und Handeln in Intervallen reflektiert, ob das was getan wird auch sinnhaft ist und ethisch-moralisch vertretbar ist. Konflikte, die entstehen, werden nicht mehr „unter den Teppich gekehrt“, sondern schnellstens aufgelöst und dann wieder in positive Energie zur Kunden- und Projektbetreuung umgewandelt. Intrigante Verhaltensweisen und Complianceverstöße aller Mitspieler (auch Führungskräfte) werden unterbunden bzw. sofort sanktioniert (Werte- und Compliancekultur).
Spielregel 5: Investitionen in die Persönlichkeitsentwicklung der Schlüsselkräfte = Schulung und Optimierung der Key-Skills mit „Iterativem Führungsschein“
Betriebe sollten sich mehr und mehr mit einer öko-sozialen Denkweise auseinandersetzen und vor allem in die Persönlichkeitsentwicklung aller Schlüsselmitarbeiter investieren – bei der es nur Gewinner gibt. Erst dann werden Sie lernen ganzheitlich zu denken, sein eigenes TUN und sich und andere im Arbeitsumfeld und auf dem Planeten zu respektieren und wertzuschätzen.
Damit (Wachstums-) Potentiale erkannt + zur Kreativität + Lösungsfähigkeit entfaltet werden können, sollten Firmen (wenn möglich mit anderen Best Practice Betrieben) einen Campus für Wissen und Innovation schaffen (Beispiele dafür sind: Bosch, BMW, Conti, Daimler, Infineon, SAP, Telekom, etc.) auf dem Führungs- und Fachkräfte situativ (virtuell) – wie im Leistungssport – für das Gefühl der „agilen“ Prozesslösungs- und Vernetzungsfähigkeit qualifiziert und trainiert werden. „Durch ein intelligentes Vernetzungsmanagement steigt die Geschwindigkeit zur Realisierung von komplexen Lösungen um das Drei- bis Vierfache und damit auch ROI + Rentabilität“ (siehe Korn/Ferry International Leadership-Study, 21st Century).
Fazit
Für Unternehmen wird es überlebensnotwendig, dass ein lebensbegleitendes Lernprogramm eingerichtet wird. Jedes Fehlverhalten in einem Projekt kann Ausgangspunkt für schnelles Führungslernen sein, z.B. klare Kommunikation, das Einhalten von „Spielregeln“, situativ-adäquates Feedback, Nachhaltigkeit der Meetings und persönlichen Gespräche sowie das Lösen von Konflikten und Problemen. „The Best practice Companies illustrates a new worldview. They cycle Leaders onto training programms every two Years to spread knowledge, in ordert to perpetuate and preserve what’s best in their Corporate Culture“ (siehe Hay Group, Internationale Studie für Leadership).
Autor
Prof. Günther H. Schust ist DKfm, DWI, Ex. MBA Uni St.Gallen/Schweiz. Er ist Human Performance Consultant, Trainer und Weiterbildner. Mitarbeiterführung ist einer der Schwerpunkte, mit dem er sich seit über 20 Jahren beschäftigt. So ist er Dozent für Leadership an mehreren Hochschulen in Bayern und in der Schweiz. Auch begleitet er namhafte Firmen bei der Suche + Auswahl von (IT-) Experten und Führungskräften. Mit seinen Kollegen realisiert er u.a. den „Iterativen Führungsschein“, für (angehende) Führungskräfte, in dem zukunftsfähige Innovations-, Persönlichkeits- und Vernetzungskompetenzen vermittelt werden.
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