Automobilbauer im Wettbewerb
Prof. Günther H. Schust: Autogipfel im Frühjahr 2010 in Berlin Deutsche Automobilbauer – im Weltwettbewerb! Wer Chancen nicht nutzt, der fällt zurück!
Die Deutschen sind eine vom Erfolg der Nachkriegsentwicklung verwöhnte und inzwischen langweilige Gesellschaft geworden. Statt mit neuen Ideen und Tatkraft die Welt in Staunen zu versetzen, läuft Deutschland immer mehr Gefahr, immer stärker zu einem „Museum für Arbeit und Technik“ zu werden, in dem die sozialen und technischen Errungenschaften des ausgehenden 19./20. Jahrhundert gepflegt werden.
Wohlstand / Arbeitsplätze / Renten / Gesundheit wollen wir sichern etc., wissen aber heute schon genau, dass dies nicht mehr möglich ist – bei dem Schuldenberg den wir haben. Es ist allerhöchste Zeit, dass die Deutschen sich bewusst werden, welche verheerenden Konsequenzen diese Risikoscheue für die Gesellschaft hat.Die Deutschen müssen Neues zulassen und sich aktiv an der Rettung unseres Globusses beteiligen, statt ängstlich von der Zuschauertribüne aus zuzusehen, wie die Welt sich verändert. Dazu gehört Neugierde und Mut zur Veränderung. Das Prinzip „Verantwortung“ für die kommende Generation gilt nicht nur für vermiedene Risiken, sondern für vertane Chancen. Ich sehe jedenfalls die reale Gefahr, dass die junge Generation für das zahlen muss, was heute versäumt und ängstlich verhindert wird.
So hat die deutsche Kfz-Industrie (mit der amerikanischen) die nachhaltige Reduzierung der CO2-Emissions-Werte für Pkw und Lkw über mehr als 40 Jahre ignoriert und verhindert! „CO2 neutrales Wachstum“ war und ist in Deutschland für die meisten Verantwortlichen ein Fremdwort…
Die Automobilindustrie hat das Automobil der Zukunft komplett verdrängt
Der Wettbewerb der Nationen ist heute schon ein Wettbewerb um Kreativität und um „helle Köpfe“.
Diesen Wettbewerb werden wir nicht mehr gewinnen, wenn wir ständig all jenen erklären wie risikoreich der Weg ist. Ein Entwickler + Forscher wie Herr Frank Ruff bei Daimler, der immer noch nicht begreift, dass Komplett-Benzin-/ Dieselgetriebene Fahrzeuge ein Auslaufmodell sind, weil das Öl weniger bzw. immer teuerer und bald für die meisten nicht mehr bezahlbar sein wird. Wenn ich lesen muss, dass Autokonzerne erst die Zukunft erforschen müssen, die gleichen Probleme aber schon vor 40 Jahren bekannt waren – diese aber nicht löst – dann ist dies kein Ruhmesblatt für die deutschen Autobauer. 40 Jahre Ignoranz für unsere Umwelt. AUDI bringt für 2010 mit 5,14m x 2.40m die längste und breiteste Oberklasse-Limousine auf den Markt und freut sich, dass diese mit 1,8to um 20% weniger Treibstoff benötigt. Obwohl kein Führer dieser Fahrzeuge sich nach der EWG-Messnorm mit 50-80-100km/h auf unseren Straßen bewegt. Abgasneutrale Antriebstechnologien und Verkehrsnetze einfach verschlafen, bzw. in der Schublade liegen lassen…Immer größer, immer schneller war und ist weiter die Devise…
Deutsche Hersteller hinken bei Hybrid- und Elektrocars (die auch für den Normalverdiener erschwinglich sind) weit hinterher. Lt. Studie von ARAL achten inzwischen bereits 2/3 der Autokäufer beim Kauf eines Autos auf den CO2-Ausstoß. Ingenieure die sich mehr Gedanken machen über PS-Zahlen, Komfort, Fahrwerk und Entspannung im Auto, als über energieneutrale Verkehrsnetze, das gibt schon zu denken. Vor allem wenn die Km-Stauzahlen immer mehr zunehmen und wenn Sie Ihre Studien dafür hernehmen, um die Hoch-PS-Fahrzeuge im dichten Straßenverkehr von Peking zu rechtfertigen. Die deutschen Ingenieure wollen nicht einsehen, dass das Auto (Pkw und Lkw) in der heutigen Form seine Berechtigung verliert. Wir hätten schon längst abgasfreie Autos, wenn es nicht maßgebliche Leute geben würde, die aktiv den umweltgerechten Wandel verhindern. Deutsche Ingenieure machen sich eher Gedanken um automatische Notbremsung, Abstandsradar und führerlose Fahrzeuge. Bain & Company hat sogar festgestellt, dass die Autoindustrie die Affinität der Kunden zu batteriebetriebenen Autos massiv unterschätzt hat, weil diese immer wieder behauptet, dass der Kunde keine umweltfreundlichen Autos kauft…Tja, wenn man keine günstigen abgasfreien Fahrzeuge produziert, kann man keine kaufen.
Auch deutsche Ingenieure müssen endlich eine Lanze brechen für eine „grüne Automobiltechnik“! Immer noch rennen sie mit Ihren Modellen „alter, umweltschädlicher Technik“ nach. Davon wird unsere Umwelt nicht CO2-ärmer… sondern diese nimmt eher an CO2 zu, da in allen Schwellen- und Entwicklungsländern der Welt der Autoabsatz mit alter Technik in zweistelligen Raten zunimmt. Der Zukunftsdenker Shai Agassi der Fa. Better Place besuchte mit seiner Idee des Elektroautos, bei dem der Standard-Akku bei Wechsel- / Ladestationen geleast werden kann und damit flächendeckend gute Reichweiten erzielt werden können, die Chefetagen unserer deutschen Automobilfirmen. Wurde aber überall abgewiesen. Jetzt setzt er seine Pläne mit Renault-Nissan in Israel und Dänemark um. Die Automobilfirmen in Deutschland sind einfach nicht in der Lage mit Wettbewerbern zusammenarbeiten.
Die Zeit drängt. VW macht mit Suzuki einen zarten Ansatz. Denn sie wissen, dass ihre Entwicklungs- und Herstellungskosten in ungeahnte Höhen steigen werden, da das Auto der Zukunft komplett neu konzipiert + produziert werden muss.
Die Einstellung zum Auto und zur Umwelt muss sich radikal ändern
Eine Regierung findet in der Bevölkerung und Industrie, umso mehr Beifall, je weniger sie den Bürgern und Managern Neuerungen zumutet – z.B. auch abgasfreie Fahrzeuge. Innovationen – und indirekt auch neue Arbeitsplätze – werden aber bestimmt von der Aufgeschlossenheit der Bevölkerung gegenüber neuen Technologien und dem Umfeld der Forschung und Entwicklung. Immer noch glauben 1/3 der Deutschen, dass der globale Fortschritt das Leben schwieriger macht. „Es steht zu befürchten, dass in Deutschland eine Generation von Innovationsverweigerern heranwächst…“ (Hans Reich, Vorsitzender des Vorstands KfW-Gruppe).
Heute sind aber „grüne“ Technologien + Dienste die treibende Kraft für die starke Expansion des Welthandels und der Direktinvestitionen. Damit wird eine neue Dimension der Globalisierung erreicht.
Dr. Christian Malorny, Autoexperte bei McKinsey rechnet bei den Autoherstellern mit verstärktem Arbeitsplatzabbau bzw. -verlagerungen (siehe Daimler und BMW, die Werke in Russland und China bauen), da zur Erfüllung der CO2-Regularien der EU bis 2020 (das Jahr wurde auf Drängen der deutschen Automobilindustrie um 10 Jahre nach hinten verschoben!) Mehrkosten von 200 Mrd. € zu erwarten sind. Um den CO2-Ausstoß der EU-weit zu verkaufenden Neuwagenflotten, um wie verlangt, um 40% bis 2020 zu senken, kommen pro Fahrzeug Mehrkosten von über 2.000€ oder bei Nichterfüllung saftige Strafzahlungen auf die deutschen Hersteller zu.
Es ist nicht die Frage des karitativen – ökologischen Mäntelchens, sondern der führenden Position der deutschen Automobilindustrie in Zukunft, die verloren gehen wird. Die Chinesen (auch die Inder) werden in der Zukunft nicht warten, bis wir in Europa uns den Luxus leisten, endlich Elektrofahrzeuge zu fahren, sondern sie werden selbst Elektro-Stückzahlen produzieren, die die deutschen Hersteller weit in den Schatten stellen werden. Die Umweltverschmutzung und die Umweltkatastrophen in China machen dies schnellstens notwendig. China ist mit 7,5 Mio. Fahrzeugen bald der größte Produzent der Welt. Plan ist bis 2020 mehr als die Hälfte aller Fahrzeuge mit Elektromotor und neuer Antriebstechnologie anzutreiben.
Der Leidens-Druck der Umwelt in Deutschland und Europa muss noch viel größer werden, bevor die meisten Verantwortlichen in diesem Lande umweltbewusster denken und schnellstens handeln. Sie tun es für sich, uns und unsere Nachkommen. Der Globus dreht sich auch ohne Menschen weiter…
AUTOR
Prof. Günter H. Schust
Mitglied des wissenschaftlichen SCOPAR-Beratergremiums
Günther H. Schust ist langjähriger internationaler Personalmanager, Projektleiter und Lehrbeauftragter an den Hochschulen St. Gallen, Zürich-Winterthur, Hamburg-München und Kempten. Das Fachbuch zum Seminar ist unter dem Titel „Human Performance Management – Wie Sie Mitarbeiter zur Wertschöpfung führen“ im Rosenberger Fachverlag, Leonberg erschienen.
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